Der Vortrag lag ursprünglich als Powerpoint-Folien
vor. An dieser Stelle sollen die Stichworte nur grob ausformuliert werden.
Da sich der Vortrag nicht nur an Phonetiker, sondern auch und vor allem an
phonetische Laien richtete, war ich darum bemüht, möglichst
einfache Umschreibungen zu finden und Fachtermini wo möglich zu
umgehen. Eine tiefschürfende Erörterung des Themas
"Glottalisierung von Plosiven" sollte man also hier nicht
erwarten.
Trotzdem lade ich jeden ein, einen kleinen Blick darauf zu riskieren, was
wir so alles produzieren, wenn wir sprechen - und zu sehen, dass wir
dabei sogar noch von unserem Gegenüber verstanden werden.
Die Magisterarbeit ist seit 2005 in den Arbeitsberichten des Instituts für Phonetik an der Universität des Saarlandes (PHONUS) veröffentlicht (etwas gekürzt). Sie kann als pdf-Dokument hier online angesehen bzw. heruntergeladen werden.
Das Literaturverzeichnis aus der Arbeit ist hier zu finden.
Die Zungenspitze bildet einen Verschluss mit dem
Zahndamm. Dabei ist der Luftstrom im Mundraum unterbrochen. Darüber
hinaus ist der Nasenraum abgeschlossen (Verschluss der velopharyngalen
Pforte). Dies führt zu einer "hörbaren" Stille.
Bei dem stimmhaften /d/ schwingen die Stimmlippen regelmäßig,
bei dem stimmlosen /t/ ist die Stimmritze (=Glottis) weit geöffnet, so
dass sehr viel Luft in den Mundraum strömen kann.
Nach der Lösung des Verschlusses entsteht ein deutlich hörbares
Geräusch - v.a. bei den stimmlosen Plosiven, bei denen sich sehr viel
Luft hinter dem Verschluss angestaut hat.
Wörter mit einem alveolaren Plosiv sind: Tag,
Foto, Rede, ...
Ein stimmhaftes /d/ sähe z.B. so aus:
Der grüne Pfeil weist auf das Gaumensegel,
das für einen Plosiv gehoben sein muss, um eine Trennung zwischen Mund- und Nasenraum
zu erreichen. Der blaue Pfeil weist auf die Stelle des Verschlusses,
nämlich den Zahndamm. Der rote Pfeil zeigt an, dass es sich hierbei um
einen stimmhaften Laut handelt, bei dem die Stimmlippen
regelmäßig schwingen.
Diese und die nachfolgenden Abbildungen zur Artikulation
einzelner Laute sind aus Potter, Kopp & Kopp (1966): "Visible Speech."
entnommen und mit Pfeilen versehen worden.
Bei der sog. Glottalisierung werden die Stimmlippen
fest zusammengepresst; entweder so fest, dass die Stimmritze vollkommen
geschlossen ist (dabei spricht man von einem Glottalverschluss) oder nur so
fest, dass noch unregelmäßige Schwingungen der Stimmlippen - mit
geringer Schwingungsamplitude - möglich sind (dabei spricht man von
Laryngalisierung). Letzteres klingt knarrig und tief.
Dadurch wird die gerade beschriebene Artikulation am Kehlkopf ersetzt oder
verstärkt.
Glottalverschluss und Laryngalisierung werden hier als unterschiedliche
Grade desselben Phänomens gesehen. (Sie haben also dieselbe Funktion.)
Anmerkung: Ich verwende also den Begriff "Glottalisierung" als
Oberbegriff für Glottalverschluss und Laryngalisierung. Oft wird er als
synonym mit Laryngalisierung verwendet.
In der Auswahl der Wörter, die ich untersucht habe,
(= Stimuli) habe ich mich nach den Ergebnissen der Untersuchungen von Professor
K.J. Kohler in Kiel gerichtet. V.a. bei alveolaren Plosiven und v.a. bei
Plosiven zwischen Sonoranten fand er Glottalisierung.
Zu den Sonoranten zählen u.a. Nasale wie /n/ oder /m/ und der Lateral
/l/.
Die Struktur der Stimuli sah also wie folgt aus: Nasal/Lateral
+ /t, d/ + Schwa + Nasal/Lateral
(Um es möglichst einfach zu definieren: Das Schwa ist der Murmellaut,
der auch als Neutralvokal bezeichnet wird, dem unser "eeeh" beim
Überlegen ähnelt.)
Anmerkung: Ich ging davon aus, dass das Schwa in den meisten Fällen
elidiert, also gelöscht würde, wie es in gesprochener Sprache
üblich ist. In einigen Artikeln von K.J. Kohler wird allerdings eine
erstaunlich hohe Zahl an Schwa-Realisierungen genannt.
Die Stimuli waren Zwei- oder Dreisilbler, möglichst Minimalpaare, die
sich nur in der phonologischen Stimmhaftigkeit des Plosivs ( also /t/
vs. /d/) unterschieden. Sie wurden in einen für diese Untersuchung
konstruierten Text eingebunden.
Liste der Stimuli:
ahnten - ahnden Finten - finden sonnten - Sonden verbannten - verbanden Gemeinten - Gemeinden
Glottalisierung ist allerdings nicht die einzige
mögliche Realisierungsform eines alveolaren Plosivs. Deshalb kann man
sich im folgenden einige Realisierungen des Wortes ahnten anhören
(mp3-Format).
Der Kontext, in dem das Wort vorkommt, lautet: "Wir ahnten es schon lange
und halten es für vollkommen verdient".
Welche Realisierungen kann man also finden/habe ich gefunden?
kanonische Realisierung: alle Laute werden gesprochen, auch das Schwa.
Realisierung des Plosivs, aber Schwa-Elision (orthografisch wiedergegeben:
ahntn)
In den meisten Fällen, in denen in meinen Daten ein /t/ zu finden war, war das Schwa
elidiert. In dem dargebotenen Beispiel entwich die angestaute Luft durch die Nase,
da nicht der Verschluss hinter den Zähnen, sondern der Verschluss des Nasenraums
aufgehoben wurde.
Bei stimmlosen Nasalen ist die Stimmritze weit offen (die Stimmlippen also
weit voneinander entfernt) - wie z.B. für ein /t/ -, die sog. velopharyngale Pforte
ist aber offen, so dass die Luft durch die Nase entweichen kann.
Bei stimmlosem Lateral ist der Nasenraum ebenfalls abgeschlossen; die Luft
kann aber an den Zungenrändern vorbei den Mundraum verlassen.
Behauchte Nasale oder Laterale unterscheiden sich davon, indem die Stimmritze
nicht ganz so weit geöffnet ist, so dass die Stimmlippen noch leicht schwingen können,
aber nicht mehr über die ganze Länge der Stimmlippen und nur sehr schwach.
Anmerkung: Folgende Abbildung zeigt die Artikulation von /n/ und /l/:
Verschluss-Elision
Unter Verschluss-Elision ist ein Verlust des Plosivs bei gleichzeitigem Fehlen
jeglicher Ersatzartikulation oder Reduktion zu verstehen.
Von dem Plosiv ist also nichts mehr zu hören.
Die meisten der Alternativrealisierungen sind ökonomischer.
D.h. mit weniger artikulatorischem Aufwand kann ein vergleichbares
perzeptorisches Ziel erreicht werden. Anders ausgedrückt: Wir hören trotzdem
das richtige Wort, obwohl der Sprecher etwas produziert hat, was für ihn einfacher war
- weil wir beim Sprechen eben grundsätzlich ein wenig faul sind :-)
Das perzeptorische Ziel ist v.a. die Stille, die durch die Unterbrechung des Luftstroms
erreicht wird. Um allerdings auch die stimmlosen und behauchten Sonoranten auf diese Weise
rechtfertigen zu können, möchte ich das Ziel etwas weiter fassen und sagen: Es soll
eine Unterbrechung der stimmhaften Nasalität (bei internasalem Plosiv) bzw. Sonorität
erreicht werden. Dies ist dann auch mit stimmlosen Sonoranten möglich.
Warum könnte eine der oben genannten Ersatz- oder Reduktionsgesten angestrebt werden?
Die Bildung eines Plosivs zwischen/nach/vor Nasalen erfordert den Abschluss des Nasenraums
vom Mundraum (also das Schließen der sog. Velopharyngalen Pforte). Das dafür benötigte
Velum gilt aber als träge. Die Anhebung des Velums für das /d/ und das anschließende
Senken habe ich hier mit einem grünen Pfeil angedeutet.
Evtl. kommt hierzu noch die Koordination dieser Aktivität mit der Artikulation im
Mundraum - wie bei /mdn/: Hier kommt zu der velaren Geste (mit grünem Pfeil angedeutet)
noch die Änderung der Verschlussstelle (hier mit blauem Pfeil angedeutet).
Zudem kann es sein, dass Veränderungen an der Glottis notwendig werden - wie in /mtn/:
Hier werden die regelmäßigen Stimmlippenschwingungen für den stimmlosen Plosiv unterbrochen
(mit roten Pfeilen angedeutet). Bei schlechter Synchronisierung käme es zu einer kurzen
Phase teilentstimmten Nasals oder zu einem epenthetischen stimmhaften Plosiv (was heißt:
Zwischen dem /n/ und dem /t/ gäbe es noch eine kurze Phase /d/.).
Im folgenden werde ich also kurz auf
die Untersuchungsmethode und Probandenwahl,
meine Untersuchungsfragen und die Ergebnisse eingehen.
Methode
Es wurden 8 norddeutsche Sprecher (4 Männer, 4 Frauen) und 7
süddeutsche
Sprecher (4 Männer, 3 Frauen) untersucht. Aufgabe der Probanden
(Pb)
war das Vorlesen eines kurzen - konstruierten - Textes. Jeder Pb
hat den Text fünfmal gelesen.
Aufgenommen wurde das akustische Signal mit Hilfe eines Mikrofons und
das Stimmlippen-Verhalten mit Hilfe eines Elektrolaryngographen/
Elektroglottographen
(EGG). Ein EGG besteht aus zwei Elektroden (manchmal auch noch einer
dritten
Referenzelektrode), die rechts und links am Kehlkopf angelegt werden.
Es
ist eine nichtinvasive Methode, bei der von einer Elektrode ein
leichter
Strom ausgesendet wird, der von der anderen gemessen wird. Je
nachdem,
wie groß die Impedanz zwischen den Elektroden ist, ist das mehr
oder
weniger. Gemessen wird also, wie nah die Stimmlippen zusammen sind.
Wer mehr über diese Methode wissen möchte - oder Abbildungen
von diesem Gerät sehen möchte - sei auf die Seite von K.
Marasek
in Stuttgart verwiesen: http://www.ims.uni-stuttgart.de/phonetik/EGG/frmst2.htm
Einige Pbn und weitere 52 Personen haben darüber hinaus einen
Fragebogen zu der Frage, wie geläufig ihnen die untersuchten
Wörter
waren, ausgefüllt.
Untersuchungsfragen
Um die insgesamt 16 Hypothesen (=
Untersuchungsfragen) zusammenzufassen:
Es wurde geprüft, wie oft welche Realisierungen auftraten.
Dabei wurde ein Vergleich von Wörtern mit unterschiedlichem
segmentalem
Kontext und von Wörtern mit unterschiedlicher phonologischer
Stimmhaftigkeit
des Plosivs ebenso vorgenommen wie der Vergleich von männlichen
und
weiblichen Sprechern bzw. norddt. und süddt. Sprechern. Es wurde
also
geprüft, ob die Realisierungspräferenzen anders waren, wenn
ein
/m/, /n/ oder /l/ neben dem Plosiv standen ('hemmten' - 'ahnten' -
'Hanteln'),
oder wenn ein Wort ein /t/ enthielt (wie 'ahnten') bzw. ein /d/ (wie in
'ahnden'). Außerdem war ich daran interessiert, ob Männer
und
Frauen bzw. Norddeutsche und Süddeutsche auf dieselbe Weise das
/t/
oder /d/ realisieren. Letzteres interessierte mich v.a. deshalb, weil
K.J.
Kohler, der die meisten Untersuchungen zur Glottalisierung im Deutschen
unternommen hat, nur norddt. Sprecher aus dem Raum um Kiel untersucht
hat.
In der zweiten Hälfte meines Vortrags habe ich schnell ein paar Aspekte
meiner Untersuchung vorgestellt. Aus Zeitgründen konnte ich keine genaue Details meiner Ergebnisse
darlegen. In der Besprechung der Ergebnisse gehe ich mehr oder weniger
deskriptiv-statistisch vor. D.h., ich werde Sie von statistischen Tests und Signifikanzen
verschonen. Wer gerne mehr wissen möchte, kann mich aber jederzeit anschreiben.
Abbildung 1: Verteilung der Realisierungen über alle Sprecher und alle Kontexte
gemittelt
An der obigen Abbildung kann man sehen, dass sehr selten alle Laute
gesprochen
wurden ('kanonisch'), der Plosiv aber doch zumindest in ca. 25% der
Fälle
erhalten geblieben ist. Glottalisierung, der mein Hauptinteresse galt,
konnte immerhin in 25% der Fälle gefunden werden, v.a. die
schwächere
Form der Laryngalisierung. Aber noch häufiger traten behauchte und
v.a. stimmlose Sonoranten (die bei K.J. Kohler am Rande erwähnt
wurden)
auf.
Abbildung 2: Realisierungen in
Wörtern wie 'hemmten' oder
'finden'
Von Glottalisierung und behauchten/stimmlosen Sonoranten waren
primär
Wörter mit Plosiv zwischen Nasalen betroffen - also Wörter
wie
'finden', 'hemmten' oder 'verbanden'. In diesen Stimuli wurde der
Plosiv
kaum produziert.
Abbildung 3: Realisierungen in
Wörtern wie 'Handel' oder
'halten'
Hier kann man erkennen, dass in Wörtern wie 'halten' oder
'Handel',
bei denen vor oder nach dem Plosiv ein /l/ vorkommt, das /t/ oder /d/
sehr
häufig gesprochen wurde. Eine vollständige Elision trat
ebenfalls
häufiger auf. Glottalisierung und behauchte/stimmlose Sonoranten
spielen
hier dagegen kaum eine Rolle.
Abbildung 4: Realisierungen
norddt. Sprecher
Kommen wir noch einmal zurück zu dem erstaunlich großen
Anteil
an behauchten und stimmlosen Sonoranten, den ich gefunden habe. Denn in
den Daten von K.J. Kohler konnten recht häufig Glottalisierungen
von
Plosiven gefunden werden, aber eher selten behauchte/stimmlose Nasale
oder
Laterale - bei seinen norddt. Sprechern! Deshalb hier einmal die
Verteilung
über die einzelnen Realisierungen bei meinen norddt. Probanden.
Auch
hier werden in etwas mehr als 25% der Fälle die Plosive durch
einen
Glottalverschluss oder Laryngalisierungen ersetzt. Stimmlose oder
behauchte
Sonoranten treten seltener auf.
Abbildung 5: Realisierungen
süddt. Sprecher
Ein Blick auf die Realisierungen meiner süddt. Probanden
lässt
allerdings ein etwas anderes Bild entstehen: Hier bilden stimmlose
Sonoranten
ca. 50% der Realisierungen. Die Zahl der behauchten Sonoranten ist mit
der bei den norddt. Pbn vergleichbar.Glottalisierung ist etwas seltener
als bei den norddt. Sprechern (allerdings nur geringfügig). Die
hohe
Anzahl an Glottalisierungen ist jedoch lediglich auf das sehr
konsequente
Glottalisieren von zwei Sprechern zurückzuführen
(während
sieben der acht norddt. Pbn glottalisierten).
Glottalisierung alveolarer Plosive ist
also zu finden - hier mehr
bei norddt. Sprechern als bei süddt; bei Frauen wie bei
Männern.
Sowohl Glottalisierung als auch behauchte/stimmlose Sonoranten treten
v.a. zwischen Nasalen auf, selten vor oder nach einem /l/.
Die Männer bildeten mehr behauchte und stimmlose Sonoranten als
die Frauen; die Frauen glottalisierten im Durchschnitt mehr als die
Männer.
Frauen glottalisierten Wörter mit /t/ wie mit /d/ (also 'ahnten'
und
'ahnden'), Männer häufig nur Wörter mit /t/. Aber
Achtung:
Wenn Frauen glottalisierten, taten sie dies zwar konsequenter als die
Männer.
Es waren aber nicht mehr Frauen als Männer, die glottalisierten.
An dieser Stelle sei deshalb noch einmal die Gelegenheit genutz, auf
ein großes Problem der geringen Versuchspersonenzahl hinzuweisen:
Bei nur 15 Pbn hat die Form der Realisierung eines einzelnen Pb schon
großen
Einfluss auf das Gesamtergebnis. Deshalb ist es ab und zu auch
sinnvoll,
einen Blick auf die Probanden-Ebene zu werfen.
Die Formen der Realisierung von
alveolaren Plosiven zwischen Sonoranten
sind sehr komplex - und die Frage, unter welchen Bedingungen welche
Realisierung
gewählt wrid, ist noch viel komplexer. Denn hier wurde nur der
Einfluss
von Geschlecht oder Herkunft des Sprechers, phonologische
Stimmhaftigkeit
und segmenteller Kontext des Plosivs angesprochen. Ein Blick auf die
Worthäufigkeit
(= Geläufigkeit der Wörter) und die morphosyntaktische Form
der
untersuchten Wörter (Ist es ein Verb oder ein Substantiv?) ergbab
kein eindeutiges Bild. Darüber hinaus sind aber noch viele andere
Einflussfaktoren denkbar.
Mit der folgenden Abbildung habe ich diesen Sachverhalt in meiner
Magisterarbeit
zu verdeutlichen versucht: